Am Rande der klaren grenze
Sie würden gerne etwas öfter eine klare Ansage machen, auf den Tisch hauen, auf Absprachen beharren, anstatt verständnisvoll den entgegenkommenden Weg zu wählen? Sie tun sich aber schwer, es umzusetzen, weil Sie sich damit einfach doch nicht so ganz wohl fühlen?
Erst letzte Woche hatte ich eine Situation, wo ich mich im Nachhinein über mein einsichtiges Verhalten ärgerte.
>> Ich versuchte, eine Parklücke vor einem begehrten Restaurant freizuhalten, bis mein Partner mit unserem Auto umgedreht hatte. Möglichst beiläufig und gelassen tat ich das dann auch für genau 2 Minuten, bis ein großer Familienwagen anrollte und mich ebenso beiläufig immer weiter in die Parklücke schieben wollte. Meine freundlichen Bitten weiterzufahren wurde ignoriert. Andere Autofahrer stiegen aus und forderten mich auf, aus dem Weg zu gehen. Parkplatz freihalten? Nicht erlaubt. Da stand ich also als freundliche Antithese und lies mich von dem Familienwagen, der nun einfach einparkte, weiter in den Parkplatz hineindrängen. Der Klügere gibt nach. Jetzt bloß keinen Streit anfangen und die Laune für den Abend vermiesen. Das waren so in ungefähr meine Gedanken. Äußerlich souverän, innerlich hadernd mit meiner nachgiebigen Seite, räumte ich die Lücke. Rechtskonform oder nicht, ich hätte es von mir besser gefunden, wenn ich eine klare Ansage gemacht hätte und stehen geblieben wäre.
Neben solch einem Beispiel aus dem Privatleben begegnen mir im Kern ähnliche Beispiele aus dem Arbeitsleben in Coachinggesprächen. Darunter beispielsweise folgende Situationen:
>> Sie schaufeln sich Zeit frei, um dann im Meetingraum 15 Min. auf den Kollegen zu warten, der Sie um diesen Termin gebeten hat. Als er dann da ist, sagen Sie nichts, denn Sie wollen die restliche Zeit konstruktiv nutzen;
>> Sie haben als Führungskraft eine Deadline für die Zulieferung von Reports gesetzt und dafür selbst das Wochenende durchgearbeitet. Am Tag der Deadline verschieben Sie diese dann, da ein paar Ihrer Teammitglieder es nicht geschafft haben.
Ärgerlich, oder?
Der Klient hat jeweils eingelenkt, um die weitere notwendige Zusammenarbeit (oder das Abendessen) nicht zu gefährden. Anstatt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, dehnt und entspannt man die Finger widerwillig und zweifelt derweil am eigenen Verhalten: War es richtig, zu Gunsten einer schnellen Lösung nichts zu sagen, oder wäre es wichtig gewesen, eine klare Grenze aufzuzeigen?
In diesem Beitrag möchte ich Ihnen eine Möglichkeit vorstellen, wie Sie Ihr eigenes Verhalten reflektieren und beim nächsten Mal so handeln können, dass Sie im Nachhinein mit sich selbst zufrieden sind. Dies gelingt, wenn Sie eine Antwort auf folgende Frage finden:
Worum geht es hier für mich eigentlich?
Sie können sich dieser Frage in vier Schritten nähern. Nehmen wir das Beispiel mit dem Report. Sie haben den diplomatischen Weg gewählt, um vorerst reibungslos eine schnelle Lösung zu finden und daher die Deadline verschoben anstatt auf ihr zu beharren. Sie sind aber nicht zufrieden mit Ihrer Vorgehensweise.
SCHRITT 1: Von mir aus
Versetzen Sie sich in die Situation und schauen Sie zunächst auf sich: Wie hätten Sie sich gerne verhalten?
Spielen Sie die Situation nochmals mit dem gewünschten Verhalten durch. Was würden Sie sagen? Welche für Sie wichtigen Botschaften würden Sie bei dieser Variante Ihrem Gegenüber vermitteln?
Als Führungskraft aus dem Beispiel hätte Sie lieber auf den Tisch gehauen. Sie hätten gesagt, dass es so nicht geht und Deadlines einzuhalten sind. Immerhin steht diese bereits seit 4 Wochen. Auch wenn es viel Aufwand war, war dennoch genug Zeit, das Thema zu bearbeiten. Die Botschaft: Übernehmt Verantwortung für eure Arbeitsaufträge und haltet euch an Termine.
SCHRITT 2: Von dir aus
Versetzen Sie sich nun in Ihren Gegenüber hinein: Wie würde er/sie diese Situation, die Sie soeben in Schritt 1 durchgespielt haben, erleben? Was würde er/sie wahrnehmen? Welche Botschaften würde er/sie gerne loswerden?
Schlüpfen Sie für einen Moment in die Schuhe Ihres Gegenübers und spielen Sie seine/ihre Reaktion.
In unserem Beispiel besteht der Gegenüber aus mehreren Kollegen. Sie versetzen sich in einen Kollegen hinein, der diese Partei gut verkörpert und kommen zu folgender Reaktion: Ihre Kollegen fühlen sich von der klaren Ansage überrumpelt. Ja, die Deadline steht zwar seit einiger Zeit, aber immerhin wird hier auch etwas von ihnen verlangt, das sie so noch nie gemacht haben. Wenn Sie mal ehrlich sind, ist die Reporterstellung so doch eh gar nicht möglich. Die Botschaft: Ihre Teammitglieder haben weder die Kapazität noch die Fähigkeit, das jetzt umzusetzen und verstehen auch gar nicht, warum sie in ihrer Arbeitsweise überhaupt etwas verändern sollten.
SCHRITT 3: Neutral gesehen
Stellen Sie sich nun diese Konversation zwischen Ihnen und Ihrem Gegenüber vor, als würden Sie sie aus dem Nachbarbüro beobachten. Sie schauen durch die offene Tür und sehen von außen, was jede Partei wahrnimmt und welche Bedürfnisse sie äußert. Wenn Sie die Szene in der Rolle eines Ratgebers anschauen, welche erste Hilfe könnten Sie den involvierten Personen geben, damit sie sich besser verständigen können?
Als Ratgeber würden Sie vielleicht ein klärendes Gespräch empfehlen. Dieses würde verdeutlichen, warum eine Veränderung im Reporting erforderlich ist. Zudem würden Sie empfehlen, das Gespräch stärker faktenbasiert zu führen, um die Emotionen etwas herauszunehmen. Nachvollziehbar, aber nichts Neues.
SCHRITT 4: Ehrlicherweise
Im letzten Schritt schaffen Sie eine noch größere Distanz zwischen sich und der Situation.
Begeben Sie sich gedanklich auf das Dach des Nachbargebäudes und blicken Sie von außen durch die offenen Fenster. Wenn Sie nun mit ganz viel Abstand auf die beiden Parteien schauen, was denken Sie: Um was geht es hier eigentlich mit Blick auf die Führungskraft (Sie)? Was gibt es für die Führungskraft (Sie) zu lernen, wenn Sie auf diese Situation schauen?
Mit ganz viel Abstand stellen Sie nun vielleicht fest, dass Sie anerkennen müssen, dass manche Mitarbeiter den geforderten Veränderungen nicht gewachsen sind. Sie haben nicht auf den Tisch gehauen, weil Sie die mangelnden Fähigkeiten nicht aufdecken wollten. Es wäre dadurch offensichtlich geworden, dass manchen Mitarbeitern derzeit noch die Fähigkeiten und vielleicht auch der Wille fehlen, die Veränderungen in den dafür vorgesehenen Zeiten umzusetzen. Das wiederum bedeutet, dass Sie die Mitarbeiter für Weiterbildungen motivieren müssten und, besonders unangenehm: Sie müssten auch Konsequenzen folgen lassen. Zum Beispiel wenn die Mitarbeiter die geforderten Fähigkeiten und den nötigen Veränderungswillen nicht entwickeln könnten. Sie stellen fest, dass es für Sie zu lernen gibt, dass Sie auch bei anderen Themen keine klaren Ansagen gemacht haben, weil Sie Ihre Mitarbeiter und sich selbst vor eventuell unangenehmen Folgen bewahren wollten.
Was würden Sie nun mit dieser Erkenntnis machen wollen?
Die Person aus dem Beispiel nahm sich vor, in Zukunft klare Ansagen zu machen. Sie schaute zum einen darauf, wie sie unangenehmen Themen (z.B. Unterperformance von Teammitgliedern) proaktiv und direkt ansprechen kann. Zum anderen erarbeitete sie einen Weg, wie sie mit Ihren Mitarbeitern die notwendigen Entwicklungspotenziale konstruktiv angehen kann.
Wenn Sie eine Situation im Sinn haben, in der Sie gerne auf den Tisch gehauen hätten und jetzt an Ihrem Verhalten zweifeln, dann spielen Sie doch einfach mal die vier Schritte durch. Finden Sie heraus, um was es für Sie eigentlich geht und ob Sie bei nächsten Mal eine klare Grenze aufzeigen möchten.
Ricarda Rauch
Autor: Ricarda Rauch
Quelle: www.ifiwasme.de
Datum: 09. September 2018
Am Rande der klaren grenze
Sie würden gerne etwas öfter eine klare Ansage machen, auf den Tisch hauen, auf Absprachen beharren, anstatt verständnisvoll den entgegenkommenden Weg zu wählen? Sie tun sich aber schwer, es umzusetzen, weil Sie sich damit einfach doch nicht so ganz wohl fühlen?
Erst letzte Woche hatte ich eine Situation, wo ich mich im Nachhinein über mein einsichtiges Verhalten ärgerte.
>> Ich versuchte, eine Parklücke vor einem begehrten Restaurant freizuhalten, bis mein Partner mit unserem Auto umgedreht hatte. Möglichst beiläufig und gelassen tat ich das dann auch für genau 2 Minuten, bis ein großer Familienwagen anrollte und mich ebenso beiläufig immer weiter in die Parklücke schieben wollte. Meine freundlichen Bitten weiterzufahren wurde ignoriert. Andere Autofahrer stiegen aus und forderten mich auf, aus dem Weg zu gehen. Parkplatz freihalten? Nicht erlaubt. Da stand ich also als freundliche Antithese und lies mich von dem Familienwagen, der nun einfach einparkte, weiter in den Parkplatz hineindrängen. Der Klügere gibt nach. Jetzt bloß keinen Streit anfangen und die Laune für den Abend vermiesen. Das waren so in ungefähr meine Gedanken. Äußerlich souverän, innerlich hadernd mit meiner nachgiebigen Seite, räumte ich die Lücke. Rechtskonform oder nicht, ich hätte es von mir besser gefunden, wenn ich eine klare Ansage gemacht hätte und stehen geblieben wäre.
Neben solch einem Beispiel aus dem Privatleben begegnen mir im Kern ähnliche Beispiele aus dem Arbeitsleben in Coachinggesprächen. Darunter beispielsweise folgende Situationen:
>> Sie schaufeln sich Zeit frei, um dann im Meetingraum 15 Min. auf den Kollegen zu warten, der Sie um diesen Termin gebeten hat. Als er dann da ist, sagen Sie nichts, denn Sie wollen die restliche Zeit konstruktiv nutzen;
>> Sie haben als Führungskraft eine Deadline für die Zulieferung von Reports gesetzt und dafür selbst das Wochenende durchgearbeitet. Am Tag der Deadline verschieben Sie diese dann, da ein paar Ihrer Teammitglieder es nicht geschafft haben.
Ärgerlich, oder?
Der Klient hat jeweils eingelenkt, um die weitere notwendige Zusammenarbeit (oder das Abendessen) nicht zu gefährden. Anstatt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, dehnt und entspannt man die Finger widerwillig und zweifelt derweil am eigenen Verhalten: War es richtig, zu Gunsten einer schnellen Lösung nichts zu sagen, oder wäre es wichtig gewesen, eine klare Grenze aufzuzeigen?
In diesem Beitrag möchte ich Ihnen eine Möglichkeit vorstellen, wie Sie Ihr eigenes Verhalten reflektieren und beim nächsten Mal so handeln können, dass Sie im Nachhinein mit sich selbst zufrieden sind. Dies gelingt, wenn Sie eine Antwort auf folgende Frage finden:
Worum geht es hier für mich eigentlich?
Sie können sich dieser Frage in vier Schritten nähern. Nehmen wir das Beispiel mit dem Report. Sie haben den diplomatischen Weg gewählt, um vorerst reibungslos eine schnelle Lösung zu finden und daher die Deadline verschoben anstatt auf ihr zu beharren. Sie sind aber nicht zufrieden mit Ihrer Vorgehensweise.
SCHRITT 1: Von mir aus
Versetzen Sie sich in die Situation und schauen Sie zunächst auf sich: Wie hätten Sie sich gerne verhalten?
Spielen Sie die Situation nochmals mit dem gewünschten Verhalten durch. Was würden Sie sagen? Welche für Sie wichtigen Botschaften würden Sie bei dieser Variante Ihrem Gegenüber vermitteln?
Als Führungskraft aus dem Beispiel hätte Sie lieber auf den Tisch gehauen. Sie hätten gesagt, dass es so nicht geht und Deadlines einzuhalten sind. Immerhin steht diese bereits seit 4 Wochen. Auch wenn es viel Aufwand war, war dennoch genug Zeit, das Thema zu bearbeiten. Die Botschaft: Übernehmt Verantwortung für eure Arbeitsaufträge und haltet euch an Termine.
SCHRITT 2: Von dir aus
Versetzen Sie sich nun in Ihren Gegenüber hinein: Wie würde er/sie diese Situation, die Sie soeben in Schritt 1 durchgespielt haben, erleben? Was würde er/sie wahrnehmen? Welche Botschaften würde er/sie gerne loswerden?
Schlüpfen Sie für einen Moment in die Schuhe Ihres Gegenübers und spielen Sie seine/ihre Reaktion.
In unserem Beispiel besteht der Gegenüber aus mehreren Kollegen. Sie versetzen sich in einen Kollegen hinein, der diese Partei gut verkörpert und kommen zu folgender Reaktion: Ihre Kollegen fühlen sich von der klaren Ansage überrumpelt. Ja, die Deadline steht zwar seit einiger Zeit, aber immerhin wird hier auch etwas von ihnen verlangt, das sie so noch nie gemacht haben. Wenn Sie mal ehrlich sind, ist die Reporterstellung so doch eh gar nicht möglich. Die Botschaft: Ihre Teammitglieder haben weder die Kapazität noch die Fähigkeit, das jetzt umzusetzen und verstehen auch gar nicht, warum sie in ihrer Arbeitsweise überhaupt etwas verändern sollten.
SCHRITT 3: Neutral gesehen
Stellen Sie sich nun diese Konversation zwischen Ihnen und Ihrem Gegenüber vor, als würden Sie sie aus dem Nachbarbüro beobachten. Sie schauen durch die offene Tür und sehen von außen, was jede Partei wahrnimmt und welche Bedürfnisse sie äußert. Wenn Sie die Szene in der Rolle eines Ratgebers anschauen, welche erste Hilfe könnten Sie den involvierten Personen geben, damit sie sich besser verständigen können?
Als Ratgeber würden Sie vielleicht ein klärendes Gespräch empfehlen. Dieses würde verdeutlichen, warum eine Veränderung im Reporting erforderlich ist. Zudem würden Sie empfehlen, das Gespräch stärker faktenbasiert zu führen, um die Emotionen etwas herauszunehmen. Nachvollziehbar, aber nichts Neues.
SCHRITT 4: Ehrlicherweise
Im letzten Schritt schaffen Sie eine noch größere Distanz zwischen sich und der Situation.
Begeben Sie sich gedanklich auf das Dach des Nachbargebäudes und blicken Sie von außen durch die offenen Fenster. Wenn Sie nun mit ganz viel Abstand auf die beiden Parteien schauen, was denken Sie: Um was geht es hier eigentlich mit Blick auf die Führungskraft (Sie)? Was gibt es für die Führungskraft (Sie) zu lernen, wenn Sie auf diese Situation schauen?
Mit ganz viel Abstand stellen Sie nun vielleicht fest, dass Sie anerkennen müssen, dass manche Mitarbeiter den geforderten Veränderungen nicht gewachsen sind. Sie haben nicht auf den Tisch gehauen, weil Sie die mangelnden Fähigkeiten nicht aufdecken wollten. Es wäre dadurch offensichtlich geworden, dass manchen Mitarbeitern derzeit noch die Fähigkeiten und vielleicht auch der Wille fehlen, die Veränderungen in den dafür vorgesehenen Zeiten umzusetzen. Das wiederum bedeutet, dass Sie die Mitarbeiter für Weiterbildungen motivieren müssten und, besonders unangenehm: Sie müssten auch Konsequenzen folgen lassen. Zum Beispiel wenn die Mitarbeiter die geforderten Fähigkeiten und den nötigen Veränderungswillen nicht entwickeln könnten. Sie stellen fest, dass es für Sie zu lernen gibt, dass Sie auch bei anderen Themen keine klaren Ansagen gemacht haben, weil Sie Ihre Mitarbeiter und sich selbst vor eventuell unangenehmen Folgen bewahren wollten.
Was würden Sie nun mit dieser Erkenntnis machen wollen?
Die Person aus dem Beispiel nahm sich vor, in Zukunft klare Ansagen zu machen. Sie schaute zum einen darauf, wie sie unangenehmen Themen (z.B. Unterperformance von Teammitgliedern) proaktiv und direkt ansprechen kann. Zum anderen erarbeitete sie einen Weg, wie sie mit Ihren Mitarbeitern die notwendigen Entwicklungspotenziale konstruktiv angehen kann.
Wenn Sie eine Situation im Sinn haben, in der Sie gerne auf den Tisch gehauen hätten und jetzt an Ihrem Verhalten zweifeln, dann spielen Sie doch einfach mal die vier Schritte durch. Finden Sie heraus, um was es für Sie eigentlich geht und ob Sie bei nächsten Mal eine klare Grenze aufzeigen möchten.
Ricarda Rauch
Autor: Ricarda Rauch
Quelle: www.ifiwasme.de
Datum: 09. September 2018